Robocop vs Nudist: da scheiden sich die Geister.

Eine Fliegenweste hat Unmengen an Taschen, Clips und Staumöglichkeiten. Allerdings bedeutet mehr herumgetragene Ausrüstung auch mehr Gewicht – und das wird  an langen Angeltagen schwerer und schwerer. Die logische Gretchenfrage für Fliegenfischer:

Was gehört eigentlich an eine Fliegenweste?

Wenn man an gut besuchten Salmoniden-Gewässern mit hohem Flugangler-Anteil unterwegs ist  zeigen sich rasch die verschiedensten Ausrüstungs-Charaktere an den Ufern.  Auf der einen Seite haben wir den puristischen FliFi-Nudisten, der eigentlich nur eine Angel und ein paar Fliegen braucht um einen erfolgreichen Tag zu verbringen. Andererseits gibt es den vermeintlichen Robocop, der – ähnlich einem menschlichen Christbaum – klimpert, blitzt und sich dank der zu tragenden Last meist ein bisschen bucklig durch das Gelände bewegt, es dafür allerdings ausrüstungstechnisch wahrscheinlich auch mit einem spontanen Tigerhaibiss aufnehmen könnte.  Jetzt kennt natürlich jeder die Frage: Was brauch ich und was eigentlich nicht? Und wie so oft liegt die Wahrheit wahrscheinlich in der Mitte.

Fangen wir mal bei der Basis an: eine ordentliche Fliegenweste zu tragen macht im Normalfall Sinn. Klar gibt es spezielle Fliegenfischer-Lanyards oder auch extra große Bauchtaschen (im österreichischen meist dermatologisch-fragwürdig „Wimmerl“ genannt), aber meiner Erfahrung nach ist die beste Option für einen durchschnittlich langen Angeltag eine Fliegenweste. Hier finden neben der ganzen Ausrüstung (zu der ich gleich kommen werde) auch Jause, Fotoapparat und sonstige zivile Notwendigkeiten Platz, und – und das ist ja auch der ursprüngliche Sinn eines solchen Kleidungsstücks – man hat immer die Hände frei zum Angeln.

Also gut, die (passende) Jacke ist angezogen, jetzt stellt sich wie gesagt die Frage: was gehört denn daran?

Beginnen wir bei den zehn wichtigsten Basics, welche wirklich ein Must-Have sind:

Doppelzinger mit Magnet für Fliegen.

Der Zinger:
Je nach Fliegenweste werden mehrere hiervon benötigt, um die ganzen Sachen auch beweglich an der Weste zu befestigen und griffbereit zu haben. Meiner Erfahrung nach empfehle ich Zinger mit Textilband, nicht mit Stahlgeflecht, da dieses dazu neigt sich aufzulösen und (den Angler) sticht und (den Zinger) funktionsunfähig macht.

Meine bevorzugte Kescherdarstellung: mit Fang. ;-)

Der Kescher:
Bezüglich des Keschers gibt es viele Variationen. Für den Anfang reicht sicherlich ein günstiges Modell, allerdings sollte stets auf knotenlose Maschen geachtet werden, da diese ansonsten dem Fisch und seiner sensiblen Schleimhaut rasch zum Verhängnis werden können. Je länger und mehr man fischt, desto mehr kommen dann auch noch andere Komponenten zur Kescherwahl hinzu. Der abgebildete Kescher ist beispielsweise dank dem klaren Kunststoffnetz unter der Wasseroberfläche quasi unsichtbar (siehe Bild) und sorgt damit beim Fisch für keinerlei Scheuchwirkung. Durch die klare Oberfläche ist der Kescher schonend zur Schleimhaut des Fisches. Und aus das lästige Verheddern vom Haken in den Kescherfäden ist kein Thema mehr. Ein weiterer netter Nebeneffekt: das Plastik nimmt keinen Geruch an, somit ist die Geruchsbelästigung im Auto (vor allem in den wärmeren Monaten ein Thema) mehr oder weniger der Vergangenheit zuzurechnen. Die für mich ideale Befestigung des Keschers an der Fliegenweste ist übrigens mittels Magnet (und Sicherungsband), da man somit ganz einfach die meiste Bewegungsfreiheit hat.

Ordnung ist wohl echt das halbe Leben.

Die Fliegenbox:
Auch bei den Fliegenboxen gibt es eine Vielzahl an Modellen und Ausführungen. Auf alle Fälle ist es kein Nachteil eine wasserdichte Variante zu nehmen, da jede Fliegenbox über kurz oder lang mal Bekanntschaft mit dem nassen Element machen wird. Ein weiterer Praxis-Tipp: ORDNUNG in der Fliegenbox halten, vor allem eine deutliche Unterscheidung zwischen Nass- und Trockenfliegen und Nypmphen bzw. Streamern schaffen, das spart wertvolle Zeit am Wasser.
Lösezange und Amadou Die Lösezange:
Ganz wichtig um dem Fisch den Haken schnellstmöglich aus dem Maul zu entfernen. Hier ist es mehr oder weniger egal ob Markenware oder nicht. Einzige Bedingung: die Zange sollte aus rostfreiem Chirurgenstahl gefertigt sein, gut in der Hand liegen und sich leichtgängig öffnen und schließen lassen.

Das Maßband:
Jedes Gewässer hat Mindestmaße. Um diese am Fang festzustellen und auch  schnell über Release oder Take zu entscheiden braucht man? Genau. Ein Maßband.

Schnurclip und Nev-R-Sink.
Der Schnurclip:
Elementar um sauber und schnell die überstehende Schnur bei Knoten jedweder Art abzuzwicken. Auch hier empfiehlt es sich eher einen Euro mehr als einen Euro weniger dafür auszugeben, da die Teile relativ große Unterschiede in Punkte Schärfe haben.
Verschiedene Vorfächer:
Hänger unter und über Wasser gehören leider zum Tagesgeschäft des Fliegenfischers. Wenn sich diese  als unlösbar erweisen, dann zählt meist nicht nur die Fliege, sondern auch ein gehöriges Stück Vorfach zum Kollateralschaden. Damit nach ein paar dieser ernüchternden Momente nicht gleich der Angeltag beendet ist, ist es nötig, stets ein paar konisch gezogene Ersatz-Vorfächer mit verschiedenen Spitzenstärken dabei zu haben, wenn nicht allzu viel verloren ging, dann reicht meist das Anstückeln der Vorfachspitze mittels Vorfachmaterial (siehe nächster Punkt), aber manchmal muss man eben auch das ganze Vorfach tauschen. Als Kauf-Grundsatz gilt für mich hier immer die Länge soll der Rutenlänge entsprechen, und mit Spitzenstärken zwischen 0,14 und 0,20 ist man eigentlich auch überall dabei. Warum verschiedenen Spitzenstärken? Das ist schnell erklärt: klares Wasser und/oder sehr vorsichtige Fische: dünnere Spitze und umgekehrt. Mittels Polyleader lässt sich übrigens auf ganz einfache Art und Weise auch aus einer Schwimmschnur zumindest das Vorfach auf „sinkend“ umwandeln. Einfach eine Vorfachspitze daran (siehe nächster Punkt) und los geht’s.

Pitzenbauer Ringerl im Detail.

Das Vorfachmaterial:
Wie gerade beschrieben ist es manchmal unerlässlich ein neues Vorfach an die Fliegenschnur anzuknüpfen. Manchmal aber auch nicht, manchmal (bzw. eigentlich in den meisten Fällen) reicht es nämlich einfach mit Vorfachmaterial zu arbeiten. Das heißt, dass ich mittels Pitzenbauer Ringerl ständig meine Vorfachspitze wieder auf Normallänge verlängere und somit eigentlich bis zum Sankt Nimmerleinstag mit ein und demselben Vorfach fischen könnte.

Von links: Taschentücher (sollte man immer dabei haben), Loop & Junction, Bissanzeiger, Pitzenbauer Ringerl, Maßband, Messer und (für mich bei jedem Angeltrip elementar) Mentos rainbow. ;-)

Der Bissanzeiger:
Wir alle lieben das Fischen mit Trockenfliege, das steht außer Frage. Fakt ist aber, dass es viele Tage gibt, wo unser Ziel (Fisch) der vermeintlichen Verlockung (Trockenfliege) widersteht. Ob schlechtes Wasser, schlechtes Karma oder einfach faule/unwillige/böswillige Flossenträger daran schuld sind sei in diesen Momenten dahingestellt – es geht einfach nichts. Da Streamerfischen für mich eigentlich ein Notnagel ist, kommt vor ebendiesem erstmal eine Nymphe ans Vorfach. Und damit man die – oftmals scheuen und vorsichtigen – Zupfer erkennt ist ein Bissanzeiger unabdingbar. Welcher ist eigentlich Geschmackssache, meine Wahl ist der Football für weitere Distanzen, da er sicher an der gewünschten Stelle fixiert werden kann, bzw. der knetbare Bissanzeiger für nahes Fischen, da hier die Größe des Anzeigers optimal ausgewählt werden kann (lieber kleiner als größer). Allerdings zeigt der Knetgummi bei härteren Würfen mit Doppelzugunterstützung oftmals Fluchtambitionen.

Das Messer (und/oder Priest):
Wiewohl ich grundsätzlich der C&R-Fraktion zuzurechnen bin, freue ich mich dennoch das eine oder andere Mal über frischen Fisch am Teller. Um den Fang möglichst rasch und tiergerecht nach Walhalla zu schicken empfiehlt sich zuerst ein/zwei Schläge auf den Kopf und danach der Herzstich. Da das hier abgebildete Messer ein gutes Gewicht und einen hervorstehenden Knauf am Ende des Griffs hat erspare ich mir den Priest.

Das war also mal die Pflicht. Und natürlich gibt es auch eine Kür. Gottseidank. Wohin auch sonst mit dem Urlaubsgeld. Eine der wunderbaren Nebenbeschäftigungen beim Fliegenfischen ist für mich das Schmökern in Katalogen/Internet-Shops und dann natürlich auch gleich das Abwägen über Sinn und Unsinn des ganzen Zubehörs. Ganz im Sinne eines – für mich sehr treffenden – Zitats zum Thema Angelzeug von einem (absichtlicherweise?) unbekannten Autor: “Meine größte Sorge ist das meine Frau nach meinem Tod mein Fischzeug um die Kohle verscherbelt, die ich ihr vorlog dafür gezahlt zu haben.”

Jetzt geht es also ans Prassen. Jawollli. Eine meiner Leiblingsdisziplinen. Nun denn, was könnte denn noch auf der Fliegenweste Platz finden und hat auch sogar eine Berechtigung dafür?

Nev-R-Sink:
Früher nahm ich stinknormales Entenbürzelfett zum Einfetten meiner Trockenfliegen. Funktioniert einwandfrei, allerdings ist das Fett bei warmen Wetter rasch mehr auf der flüssigen, denn auf der harten Seite und es ist eine ziemliche Sauerei das Fett aufzutragen. Zudem verkleben die Fliegen auch von zu viel Fett. Nev-R-Sink lässt sich hingegen sehr fein auf die Fliege auftragen und trocknet zudem sofort danach.
Der Amadou:
Mir ist schon klar, ein Taschentuch und ein paar Leerwürfe zum Trocknen bringen ähnliche Ergebnisse. Aber. Der Amadou ist wirklich der Luxus-Gattung zuzurechnen, macht allerdings ebenso Sinn. Ich habe bislang noch nichts erlebt, was nasse/verschleimte Fliegen besser trocknet.
Der Vorfachstrecker:
Mit diesem kleinen Gadget lässt sich mittels zwei Gummizungen das Vorfach strecken, was bei stark verdrallten Vorfächern hilfreich ist, ohne gleich das ganze Vorfach wechseln zu müssen. Zusätzlich gibt es hier noch zwei Filzzungen zum Reinigen oder Entfetten von Fliegenschnüren und Vorfächern.
Loop & Junction:
Dieses Stückchen Zubehör eignet sich hervorragend zum Verbinden von Vorfach und Fliegenschnur, wenn auf zweiterem keine fertige Schlaufe vorhanden ist. Einfach aufgeschoben, Fixierungsgummi darüber und los geht’s, bzw. schon kann mittels Schlaufenverbindung gearbeitet werden.

Mit diesen kleinen Helferlein seid ihr am Wasser schon wirklich gut versorgt, ob die Pflicht oder auch die Kür Vorrang haben soll liegt natürlich ganz bei euch (und eurem Börserl).  Hoffentlich konnte ich mit dieser kleinen Aufzählung den einen oder anderen Fehlkauf verhindern – allerdings hat diese Liste natürlich keinen Anspruch an Vollständigkeit, auch ich bin immer noch am weitersuchen ;-) . Auf alle Fälle fahre ich mit diesen Teilen schon seit einigen Jahren am Wasser sehr gut. An dieser Stelle auch noch vielen Dank an Rudi Heger und Snowbee/Pro-Tack für das zur Verfügung stellen von Testmaterial.

Tight lines,

Gue

Eine Antwort

  1. Michael Plöckinger

    Hallo Gue,

    super Artikel!

    dazu hab ich noch ein paar Anmerkungen:

    Bissanzeiger: der beste Bissanzeiger ist selbstgemacht, eine Anleitung findet sich hier: http://www.pro-guides.com/2934_DE.evo

    Ich hab schon viele Bissanzeiger probiert, aber bei dem Bissanzeiger erlebt man des öfteren, dass die Fische auch danach schnappen – also Fluchtverhalten gibts keins.

    Zange:
    Du schreibst: „Hier ist es mehr oder weniger egal ob Markenware oder nicht.“
    Jein, ebenfalls schon genug getestet und es ich hab mich für die Rusty Hook Zange entschieden. Warum?
    Glatte und rauhe Fläche an der Spitze – nett zum Widerhaken andrücken. und eine Schere ist auch gleich dabei.
    Viele Zangen haben entweder nur eine rauhe Fläche dafür mit Schere oder eine glatte dafür ohne Schere, da man beides benötigt, ist die Rusty Hook ein guter Kompromiss. http://snap-outdoor.com/Rusty-Hook-Scherenklemme-3-in-1

    Der Schnurclip:
    stimme ich zu – vielleicht noch anzumerken, dass ein guter Schnurclip auch immer einen Hakenöhrdorn besitzen sollte um verklebte Öhre aufzustechen.

    Tight Lines, Michael

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