Bereits Jerry Maguire, damals gespielt von Tom Cruise, war auf der Suche danach. Auf der Suche nach dem Schotter. Natürlich meinte Cruise in der bekannten Filmszene, als er Cuba Gooding jr. anschrie, um ihn zum „Schotter“ zu führen, nicht die Kieselhaufen, welche mein Herz höher schlagen lassen, sobald ich sie irgendwo erblicke, sondern schlicht und ergreifend Geld. Für mich ist es immer wieder aufs Neue spannend, irgendwo getürmte Schotterhaufen zu entdecken. Da sie ein klarer Indikator dafür sind, dass sich in der Nähe auch ein Loch befindet aus dem der Aushub stammt. Vorzugsweise ist das Loch mit Wasser und Leben, in Fischform, gefüllt. Leider stamme ich nicht aus einer Gegend in der Schottergruben alltäglich und häufig sind. Demensprechend musste ich meine Fischerei den Gegebenheiten anpassen, was für mich hieß an Flüssen, Bächen und oligotrophen Seen und Teichen zu fischen. Durch einen studienbedingten bzw. arbeitsbedingten Umzug war ich sofort auf der Suche danach. Auf der Suche nach dem Schotter. Stundenlange Recherchen im Internet führten mich leider nicht zu dem Ergebnis auf das ich abzielte. Einmal waren es die Regeln des Betreibers, dann war es der Preis und ein anderes Mal die minimale Größe des Gewässers, welche mich nicht zufrieden stellte. Prinzipiell bin ich immer auf der Suche nach Herausforderungen. Dementsprechend fasste ich vor allem große Seen und Schottergruben ins Auge. Über hundert Hektar Wasserfläche, ein unbekannter Fischbestand und die Möglichkeit des Nachtangelns sollte gegeben sein. Es war zum Mäusemelken. Keines der Gewässer, die im Internet auf sich aufmerksam machten, erfüllte meine Kriterien. Enttäuscht und kurz vor meiner Resignation bekam ich einen Tipp von einem Karpfenangler.

Er erzählte mir von einer hundert Hektar großen Schottergrube, die 45 Minuten von meiner Wohnung entfernt lag und im Internet unauffindbar sei. Ich war sofort Feuer und Flamme, obwohl ich auch die negativen Aspekte zu hören bekam, die da waren: starker Befischungsdruck, viele Badegäste, Windsurfer, Taucher und keine Gewissheit über den Fischbestand. Ein paar Tage später, es war Anfang März, machte ich mich auch schon auf den Weg. Ich fuhr auf Autobahnen, Bundesstraßen und schlussendlich holprigen Schotterpisten meiner Herausforderung entgegen. Am Wasser angekommen, spürte ich sofort die Aura, die von diesem Wasser ausging und mich nicht mehr so schnell loslassen sollte. Ausgerüstet mit Boot, Echolot und Polarisationsbrille ruderte ich auf dem See auf und ab. Stellen bis 45 Meter Tiefe, steile Kanten, große Plateaus und allerlei versunkene Bäume, sprachen Bände über die Vielseitigkeit dieses Gewässers. Ich konnte es gar nicht erwarten endlich loszulegen und die erste Session zu starten. Eine Woche später war es endlich so weit, zwei Tage am Wasser waren mein. Die Bedingungen waren nicht die besten und so ruderte ich die Montagen bei Schneeregen und frostigen Temperaturen zu den Spots. Ich fischte meine drei Ruten in Tiefen zwischen 6 und 20 Metern und fütterte sehr spärlich. Die ersten Nächte hinter mir, musste ich ohne Fischkontakt zusammenpacken, was meine Motivation aber nicht im Geringsten schmälerte.

Voller Elan bearbeitete ich den See weiter. 1-2 Nächte pro Woche verbrachte ich an den steinigen Ufern und sehnte mich nach einem Biss. Doch meine Delkims schwiegen. Sie schwiegen und machten nicht den geringsten Anschein ihr Schweigen unterbrechen zu wollen. Eineinhalb Monate waren nun schon vergangen und die einzigen Piepser die ich hörte, waren die der Baumaschinen, welche am gegenüberliegenden Ufer ihr Unwesen trieben. Mittlerweile zweifelte ich daran hier überhaupt jemals einen Fisch zu fangen und bereitete mich mental auf das Ende vor. Meine Taktiken wurden etliche Male umgestellt, doch Erfolg stellte sich keiner ein. Ich war zu stur um einfach aufzugeben und versuchte weiter mein Glück. Ich hatte schon so viel Zeit investiert und wollte den See nicht einfach ohne Erfolg ad acta legen. Wieder einmal schleppte ich mein Tackle die steile Böschung zum Ufer um den geliebten Rüsslern nachzustellen. Meine Köder wurden penibelst auf vielversprechenden Spots abgelegt und meine Gedanken kreisten um völlig andere Dinge als um Karpfen. Mich nach 6 Wochen noch auf einen kommenden Biss zu konzentrieren würde die Situation noch absurder gestalten als sie ohnehin war. Plötzlich sang der Delkim das Lied vom Run, doch ich starrte nur auf meine bratenden Hühnerspieße und verharrte in meiner Position. Mein Körper wollte so schnell wie möglich zur Rute, doch mein Kopf war so überfordert mit der Situation, dass es eine Weile dauerte bis ich den Ablauf ordnen konnte und die Rute in die Hand nahm um den Drill zu beginnen.

Mein erster Fisch war gelandet und meine Freude war enorm. Auch wenn es kein Großer war, welcher es sich auf meiner Abhakmatte bequem machte, war der ganze Frust der letzten Wochen vergessen. Bei dieser Gelegenheit ertappte ich mich bei dem Gedanken zu oft Fangfotos von kleineren Fischen abzuwerten, ohne zu wissen unter welchen Umständen die Flossenträger gefangen wurden. Der Bann war gebrochen und ich konnte regelmäßig Fische fangen. Ich war stolz auf jeden Fang, da ich mir die Fische hart erarbeiten musste.

Die meisten würden wahrscheinlich aufgebeben und ein anderes Gewässer befischen, denn für den Aufwand, den ich betrieb, war der Erfolg mehr als überschaubar und die Fischgewichte hielten sich auch in Grenzen. Ich jedoch nicht, die Schottergrube hatte mich in ihren Bann gezogen und ein Entkommen war in weiter Ferne. Ich erzählte meinem langjährigen Angelpartner Markus von dem See und merkte, dass ich sein Interesse wecken konnte. Genau wie ich liebt er Herausforderungen und ein Mitstreiter war gefunden. Nach dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid und geteilte Freude ist doppelte Freude“ machten wir uns mit vereinten Kräften an die Arbeit. Markus ist kein Freund von Shortsessions und so planten wir zweimal eine ganze Woche an dem See ein. Wir angelten von einer kleinen Schotterinsel, die der höchste Punkt eines langgezogenen Unterwasserplateaus war. Die Köder wurden strategisch klug in alle Richtungen und Wassertiefen abgelegt, um herauszufinden wo die Fische fraßen. Parallel fütterte jeder von uns einen „Joker-Spot“, an dem wir erst nach3 Tage fischen wollten, um den vorsichtigeren Fischen das Misstrauen zu nehmen. Die Taktik funktionierte und wir konnten einige schöne Rüssler landen.

Es ist wunderbar unser schönes Hobby mit anderen zu teilen bzw. die Zeit am Wasser nicht immer alleine zu verbringen. So konnte ich auch meine Freundin Anna überreden ein paar Wochenenden zum Angeln mitzufahren. Ihre anfängliche Skepsis ging rasch vorüber, als sie merkte wie schön es ist die Natur so direkt genießen zu können. Nicht nur aus dem Auto oder im vorbeigehen die Natur wahrzunehmen, sondern aus dem Alltag auszubrechen und mit Flora und Fauna in direktem Kontakt zu „leben“. Das macht meiner Meinung nach einen der großen Reize des Karpfenangelns aus. Nicht nur, dass ich die Anwesenheit von Anna genoss, sondern auch die Tatsache, dass sie sich als wahrer Glücksbringer erwies, machten die Tage mit ihr zu einem unvergesslichen Erlebnis.

62 Nächte und viele Erfahrungen reicher kann ich nun zurückblicken. Es sind schöne Erinnerungen, aber auch solche, die mich nur bei dem Gedanken an sie zur Weißglut treiben könnten. Das Wasser verlangte mir einiges ab, jedoch konnte ich auch enorm viel lernen. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei Patrick Wanhal für seinen Tipp bedanken. Danke, dass du mich zum Schotter führtest!

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