Ziel: kein Ziel

Im heurigen Angeljahr habe ich ja schon relativ viel über fischereiliche Jahresziele und dergleichen schwadroniert. Was anfänglich für mich noch irgendwie halbernst gemeint war entwickelte sich in den letzten Wochen allerdings dann doch etwas komisch, da ich relativ rasch das ursprüngliche Ziel für 2014 – nämlich einen Karpfen auf Fliege – erreichen konnte, und das gleich mehrmals (nachzulesen hier und hier). Also „musste“ wohl ein neues Jahresziel her, der Verlust einer rund 70er Forelle vor wenigen Wochen kam da gerade recht (nachzulesen hier), dank absoluter Maßlosigkeit/Übertreibung dieses Ausmaßes erschien mir ebendies gerade recht als Ziel, da die Erfüllung … naja … dann doch eher sehr bis überhaupt unwahrscheinlich scheint. Oder soll ich besser schien sagen? ;-)

Interesse geweckt? Gut. Dann kann ich euch ja noch vorweg ein bisschen mit meinen Überlegungen langweilen. Was ist denn überhaupt ein Ziel? Was sagt denn da Wikipedia dazu?

„Ein Ziel (griechisch τέλος [telos], lateinisch finis, englisch objective, goal) ist ein in der Zukunft liegender, gegenüber dem Gegenwärtigen im Allgemeinen veränderter, erstrebenswerter und angestrebter Zustand (Zielvorgabe). Ein Ziel ist somit ein definierter und angestrebter Zustand innerhalb einer Ereignisfolge, meist einer menschlichen Handlung zu einem Zweck. ‚Ziel‘ benennt häufig den Erfolg eines Projekts bzw. einer mehr oder weniger aufwendigen Arbeit.“

Damit stimme ich grundsätzlich überein, ausser, dass die menschliche Handlung beim Fliegenfischen noch so ambitioniert sein kann, wenn der schwimmende Flossenträger nicht mitspielt nutzt alles nichts. So weit, so gut, da ich mir mit meinen hehren Zielen allerdings selbst schon ein bisschen komisch vorkam nahm ich das alles nicht mehr ganz so ernst und … ging einfach fischen.

Start der zahlreichen Angelausflüge der vergangenen Tage war die Deutsche Traun, ein wunderbares Gewässer, welches ich bei perfekter Witterung und optimalen Wasserverhältnissen samt sehr kompetentem Guiding durch einen Angelfreund befischte. Die Fische waren sehr launisch, was die Angelei dort für mich gleich noch interessanter machte. Rund um mich waren Ringe am Wasser, was aber absolut nicht gleichbedeutend mit gefangenen Fischen ist. Die Fliegenwahl und -größe musste wie die Präsentation genau passen, dann hat man Chancen auf wirklich wirklich gute Fische, von denen ich während des Tages einige überlisten konnte.

Eine der zahlreichen massiven Traun-Regenbogenforellen - wunderbare kampfstarke und vorsichtige Fische.

Eine der zahlreichen massiven Traun-Regenbogenforellen – wunderbare kampfstarke und vorsichtige Fische.

Da mein Angelfreund auch sehr ambitionierter Fotograf ist, gab es zudem einige echt schöne Casting-Bilder.

Da mein Angelfreund auch sehr ambitionierter Fotograf ist, gab es zudem einige echt schöne Casting-Bilder.

Einhand-Speycasting in Bayern.

Einhand-Speycasting in Bayern.

Die rote Zora auf Full Speed-Modus.

Die rote Zora auf Full Speed-Modus.

Danach folgte pünktlich zum Start in die Raubfischsaison ein ganz besonderer Angelausflug für mich, welcher zudem auch die Erfüllung eines weiteren Angelziels beinhaltete, das ich mir aber nicht „nur“ für dieses Jahr, sondern schon für viel viel länger gesteckt habe. Da ich ein für mich neues Gewässer austetete, welches mit einem echten Premium-Hechtbestand glänzte war die Vorfreude groß. „Wer weiß, vielleicht steigt ja wirklich ein Monsterkrokodil ein„, schwirrte mir noch während der Anfahrt durch den Kopf.

Die Hechtsaison ist eröffnet.

Die Hechtsaison ist eröffnet.

Mit im Gepäck waren auch neue Hechtstreamer. Für mich war bald klar, dass diese von mir von nun an Disco-Streamer genannt werden und bei direkter Sonneneinstrahlung eine echte Bank sein könnten. Auf #3/0 Haken gebunden sind die rund 15 Zentimeter langen Streamer dank der nicht Wasser fassenden Fasern auch nach dem Wasserkontakt noch vernünftig zu werfen, dank beschwerter „Hantelaugen“ (auch eine Wortkreation meinerseits, denke ich zumindest) und sinkendem Polyleader konnte ich damit verschiedenste Gewässerbereiche gut abfischen.  In den noch weniger sonnigen Stunden des Angeltags vertraute ich allerdings erst einmal auf einen bereits hechtbewährten grün-gelbe-weißen Tandemstreamer.

Nachdem der Guide und ich verschiedenste hechtverdächtige Spots ohne Fischkontakt und -sichtung abfischten machten wir im flachen Ufer ein stattliches Krokodil aus. Erster Wurf – BISS und weg. Der Esox hatte prompt das Stahlvorfach gekappt, den wiederhakenlosen Tandemstreamer ausgspuckt und stand bereits nach dem Anknüpfen des neuen Vorfachs samt Disco-Streamer wieder am ursprünglichen Standplatz. Zweiter Wurf. Shit. Direkt auf den Kopf. Freund Esox schnappte zwar kurz danach, was aber mehr nach einem „Was soll denn dieser Scheiß?“ aussah. Also dritter und nächster Wurf. Der blaue Streamer entfaltete im Sonnenlicht bereits kurz nach dem Wasserkontakt die volle Discokugel-Optik und der Hecht wollte scheinbar tanzen. Sofort wurde die Verfolgung aufgenommen und bereits wenige Meter vom Ufer entfernt knallte er voll darauf. Und der Tanz begann. Je öfter und näher ich den Fisch zu Gesicht bekam, desto mehr viel mir die Farbe aus ebendiesem. Der ist groß. Der ist richtig riesig. Als mein Guide ihn mit dem großen Hechtkescher landete entfuhr mir ein Jubelschrei. Bereits im Kescher entledigte sich der Entenschnabel des widerhakenlosen Streamers und ließ sich bereitwillig für einen kurzen Fototermin ins Boot heben. Doch zuvor legte ich mit zittrigen Fingern das Maßband an. Ja, jetzt war es fix, vor mir lag mit 102 Zentimeter mein erster Meterhecht auf Fliege.

Direkt neben dem Boot war klar - das ist mein bisher größter Fliegenhecht.

Direkt neben dem Boot war klar – das ist mein bisher größter Fliegenhecht.

Da der Fisch den Streamer insgesamt drei Mal attackierte, floß leider auch etwas Blut, dank Wundversorgung des Guides konnte aber am nächsten Angeltag ebendieser Hecht schon wieder bei einem erfolgreichen Raubzug beobachtet werden.

Da der Fisch den Streamer insgesamt drei Mal attackierte, floß leider auch etwas Blut, dank Wundversorgung des Guides konnte aber am nächsten Angeltag ebendieser Hecht schon wieder bei einem erfolgreichen Raubzug beobachtet werden.

Das Grinsen konnte mir nun niemand mehr so schnell aus dem Gesicht wischen. Besonders bemerkenswert war, dass die Schwanzflosse mit großen Bisswunden versehen war, die ganz augenscheinlich von einem Raubfisch noch größeren Kalibers kamen. Egal, der Fisch wurde versorgt, rasch wieder releast und verabschiedete sich ins tiefere Wasser. Nach einer kurzen Jubel-Gratulations-Rauch-Grinsen-Pause wurde weitergefischt. Natürlich – dank des speziellen Erlebnisses kurz zuvor – ohne wirkliche Konzentration. So plauschte ich mit meinem Guide und ließ die Fliege immer wieder aus den Augen. Als ich mich umdrehte um sie aus dem Wasser zu heben sah ich einen weiteren Hecht, der schon die Kiemen und das Maul weit aufriss um auch ein bisschen Disco zu kosten. Überflüssig zu sagen, dass ich dem Fisch den Streamer direkt vor/aus dem Maul zog und dann erst einmal baff war. Ebenso überflüssig zu sagen, dass dieser Fisch meiner Meinung nach gegenüber dem gefangenen Fisch noch größer war, klassische Fischer-Paranoia kombiniert mit Wahnvorstellungen eben. Oder auch nicht, ich werde es nicht erfahren.

Am zweiten Tag des Hechtausflugs war die Situation ähnlich, wenig Sichtungen verlangten höchste Konzentration und genaue Aufmerksamkeit auch auf unwichtig erscheinende Kleinigkeiten. Während ich die verschiedensten Uferbereiche und Wasserkanten abfischte hörte ich auf einmal ein deutliches Platschen rund 50 Meter weiter in der Nähe des hohen Schilfs. Obwohl ich fest davon überzeugt war, dass hier Karpfen rollten (wurde in den vorhergehenden Stunden immer wieder beobachtet) bat ich meinen Guide die Zille dort hin zu lenken. Ich hatte mir das etwa einen halben Quadratmeter große Fleckchen zwischen mehrerer Schilfpflanzen – wo ich das Platschen und Spritzen beobachtet hatte – genau eingeprägt, was allerdings nicht heisst, dass dieses mit Fast Sinking Polyleader, Stahlvorfach, großem Streamer und #9 Gerät auch vernünftig anzuwerfen ist. Was soll ich sagen, manchmal gibt es Würfe die passen einfach. Und jetzt war so ein Zeitpunkt. Der Streamer fand genau den Weg in die Öffnung, bereits beim Aufkommen machte es einen oppulenten Schnalzer und ein weiterer Hecht hing am Band. Dieses Mal war der Fisch 92 Zentimeter groß und glänzte nicht nur durch erbitterte Kampfkraft sondern vor allem durch einen spektakulär gefärbte Schwanzwurzel samt Flosse.

Makelloser Hecht der sicherlich nicht auf Diät ist.

Makelloser Hecht der sicherlich nicht auf Diät ist.

Ja, es geht mir ähnlich wie euch (hoffe ich zumindest), auch ich kann das alles noch nicht so ganz glauben. Doch was soll ich sagen, es geht weiter.

Nach den Hechten stand mir der Sinn nach feinster Trockenfliegenfischerei und so fuhr ich wenige Tage später an eines meiner liebsten Gebigsbächlein um dort die wunderschönen wilden Bachforellen zu ärgern. Was folgte war ein Bilderbuchtag an einem Bilderbuchgewässer, der sicherlich die Seele jedes Naturliebhabers höherschlagen lässt.

Mit der kurzen 3er Rute auf Indianderfischerei - einfach nur ein Hochgenuss!

Mit der kurzen 3er Rute auf Indianderfischerei – einfach nur ein Hochgenuss!

Kleine bis mittelgroße Bachforellen im schnappsklaren Wasser auf Trockenfliege.

Kleine bis mittelgroße Bachforellen im schnappsklaren Wasser auf Trockenfliege.

Welcome to Trout City - drei Würfe, drei Bachforellen an diesem Spot.

Welcome to Trout City – drei Würfe, drei Bachforellen an diesem Spot.

Und dann. Und dann war es gestern soweit und ich fuhr wieder an das Gewässer an dem mir die 70er Forelle ausgestiegen ist. Um ehrlich zu sein sogar relativ unmotiviert. Ich hatte verschlafen und naja … war irgendwie nicht so wirklich in Laune, keine Ahnung warum. Also kam ich für meine Verhältnisse sehr spät am Wasser an, das zudem auch noch relativ stark angestaubt war. Egal, jetzt war ich schon da und wollte den Tag nutzen, auch wenn es immer wieder nach Regen aussah, worauf ebendieses Wasser relativ anfällig ist. Natürlich führte mich der erste Weg wieder zu DEM Spot. Ja genau, DER Spot an dem ich die Ausnahmeforelle vor wenigen Wochen verloren hatte. Sie war wieder da. Und ich war plötzlich motiviert. Allerdings wollte ich dieses Mal ganz sicher gehen und verbrachte die ersten 20 Minuten mit bewegungslosem Rauchen und Fischstudium. Die Fische stiegen. Zwar eher vereinzelt und bei weitem nicht so heftig und häufig wie an anderen Tagen aber sie stiegen. Da ich auch kleinere braun-weiße Insekten ausmachen konnte knüpfte ich meinen Dauerbrenner unter den Trockenfliegen, eine relativ kleine Klinkhamer mit cremefarbenem Körper und brauner Hechel an das viel zu dicke 0,20er Vorfach, aber man kann ja nie wissen. Sollte der Fisch tatsächlich nochmals draufgehen möchte ich ihn auf keinen Fall wegen eines Vorfachbruchs verlieren. Die Knoten dreimal gecheckt, ins Wasser gewatet und wieder Pause, damit sich die Fische an meine Anwesenheit gewöhnen können. Hört sich ja alles relativ easy an, aber die Anspannung samt permanenter Fischsichtung machte jede nicht gefischte Sekunde zu Stunden.

Ich will euch nicht mehr länger auf die Folter spannen, der Revieraufseher (siehe hier im vorletzten Absatz) hatte unrecht. Es war keine 70er, sie hatte „nur“ 68 Zentimeter!!! Alleine schon der Take dieses Biestes auf die kleine Trockenfliege ließ mein Herz in die Wathose rutschen. Der folgende Drill – ich schätze ihn auf etwa zehn Minuten kann es aber beim besten Willen überhaupt nicht sagen – war gänzlich anders als ein normaler Forellendrill. Die ersten Minuten schien der Fisch die Tatsache des Gehakt-Seins einfach nicht akzeptieren zu wollen und machte mit mir was er wollte. Flussauf- und flussabwärts ging es, ganz nach dem Wunsch dieses Flussmonsters. Erst als ich den Fisch zwei-, dreimal an die Oberfläche bekam und somit zur Erschöpfung beitrug, bemerkte ich ein Nachlassen. Als schließlich knapp die vordere Fischhälfte im Kescher war (mehr hatte nicht wirklich Platz) konnte ich die Situation erstmals richtig begreifen. Dass dies der erste Fang des Tages war machte die Sache noch einmal unrealistischer für mich. Ein kleiner Insider für alle Besucher des RISE Flyfishing Film Festivals: bitte wer braucht denn den Jurassic Lake im fernen Patagonien wenn er auch in Österreich solche Ausnahmeprügel überlisten kann? ;-)

Einfach nur sensationell - was für ein Fisch!

Einfach nur sensationell – was für ein Fisch!

Makellos vom Kopf bis zur imposanten Schwanzflosse.

Makellos vom Kopf bis zur imposanten Schwanzflosse.

Nein, das ist nicht normal. Aber ja, ich fühle mich momentan irgendwie gesegnet. Ich weiß auch nicht, aber … ja … es ist einfach nur zum Sprachlos sein.

Der Tag verlief übrigens auch nach dem Release dieser Sensation noch sehr erfolgreich. Neben weiteren Regenbogenforellen nahmen auch noch einige stattliche Aitel die Trockenfliege und machten mir viel Freude damit. Besonders die Art wie diese Friedfische die Fliege nehmen ist jedes Mal wieder eine Erfahrung für sich. Zur Erklärung: man stelle sich Super-Slowmotion vor und halbiere nochmals die Geschwindigkeit, dann hat man ungefähr das Tempo eines Aitel auf Nahrungsaufnahme an der Oberfläche. Da gilt es Nerven zu bewahren und ja nicht zu früh anzuschlagen.

Ein schöner Aitel auf Trockenfliege ist nie zu verachten.

Ein schöner Aitel auf Trockenfliege ist nie zu verachten.

Ein weiterer spektakulärer Fang beschloss auch den Angeltag für mich. Und zwar konnte ich eine neue Forellengattung kennenlernen, die „Football-Trout“. Hochrückig wie ein Thunfisch und ähnlich kampfstark lieferte mir der Fisch einen wunderbaren Abschluss und ließ mich über das an diesem Tag geschehene verwundert kopfschüttelnd und grinsend zum Auto zurückschlendern.

  Klassische "Football-Trout".

Klassische „Football-Trout“.

So. Das wars. Und ich glaube das reicht auch erstmal. Fakt ist, es ist Mitte Mai und ich bin ziellos. Und das ist gut so. Während des Schreibens dieser Zeilen erinnerte ich mich an eine Diskussion im größten österreichischen Online-Angelforum zum Thema der drei Phasen im Leben eines Fliegenfischers (nachzulesen hier). Darin ging es darum, dass der Fliegenfischer im Laufe seiner anglerischen Karriere drei verschiedenen Phasen durchmacht:
•    In der ersten Phase will er so viele Fische fangen wie möglich.
•    In der zweiten Phase will er einen möglichst großen Fisch fangen.
•    In der dritten Phase will er einen ganz bestimmten Fisch (unter ganz bestimmten Umständen) fangen.

Darüber musste ich nachdenken. Mit dem gestrigen Tag konnte ich den 20. Fischtag (klarerweise mal kürzer, mal länger) im heurigen Jahr begehen. Während dieser Sessions konnte ich bereits 119 Fische von sieben verschiedenen Spezies überlisten, davon bei drei einen neuen persönlichen Rekord aufstellen. Das besondere daran: ich habe eigentlich nie bemerkt, dass ich sonderlich verbissen an die Sache herangehe. Bei einigen Fischen sind diese Rekorde auch mit den Gesetzen der Natur verbunden, soll beispielsweise heissen: recht viel größere Regenbogenforellen werde ich in Österreich nicht mehr erwischen können. Versteht mich jetzt bitte nicht falsch, aber Erlebnisse wie die Vergangenen regen mich einfach zum Denken und Hinterfragen an. In welcher der obigen drei Phasen bin ich denn eigentlich? Ich weiß es nicht, Tatsache ist allerdings sicher, dass ich nun einfach mal ein bisschen ziellos fischen möchte und werde, ein neues Jahresziel 2014 ist also nicht in Sicht – höchstens kein Ziel mehr zu haben.

Tight lines, gue

PS: Weitere Bilder dieser besonderen Angeltage gibt es hier.

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