Theorie & Praxis

„Wenn mein Fußballtrainer damals bei der U8 (meist auch als „Superminiknaben“, bzw. mittlerweile wahrscheinlich eher „Superminimädchen und -knaben“ bekannt) nicht so derartig unfair und asozial gewesen wäre, dann, ja dann würd ich mittlerweile ja ohnehin sicher auch in der Bundesliga spielen.“ Sätze wie diese sind in nahezu jedem österreichischem Wirtshaus immer wieder mal zu hören. „Der Trainer hat mich nicht richtig gefördert/gefordert“, „die Lehrer haben den Stoff nicht richtig vermittelt“ (sonst wäre der Doppeldoktortitel längst mahagonigerahmt über dem heimischen Kamin ausgestellt) und überhaupt, überhaupt sind immer wieder gerne die anderen schuld. Da ich weder in meiner „aktiven Zeit“ (Supermini- und kurz auch noch Miniknaben ;-) fußballerisch große Ambitionen verspürt habe, noch in der Schule jemals großartige Probleme hatte, dachte ich bei mir, „eigentlich schade, ich kann über niemanden so richtig herzhaft schimpfen, der mir dieses und jenes verbaut hat, warum nicht einfach einen Wurfkurs machen?“

Das gut durchdachte Skriptum.

Das gut durchdachte Skriptum.

Gesagt, getan, da ich ja schon seit längerem mit Wolfgang Heußerer im angelfreundschaftlichen Kontakt stehe war auch die Wahl des Lehrers rasch gefallen. Es ging also in die südliche Steiermark nach Eibiswald. Da einer meiner Freunde vor kurzem sehr ernsthaft mit dem FliFi-Virus infiziert wurde war auch ein Begleiter für den Kurs rasch gefunden, da sich bei Wolfgang noch ein weiterer interessierter Newbie gemeldet hat, wurde es eben ein Mixed-Kurs mit zwei Anfängern (bei welchen man sich aber auch als geübter Fliegenfischer in vielen Bewegungen, bzw. Bewegungsfehlern wiederfindet) und einem … naja, mit mir eben.

Die - gottseidank stummen - Zeugen des Dämmerschoppens.

Die – gottseidank stummen – Zeugen des Dämmerschoppens.

Die beiden Kurstage waren nicht nur durch die Nacht, sondern auch die Inhalte des Kurses geteilt. Am Vormittag des ersten Tages trafen wir uns bei strahlendem Sonnenschein (und leicht verkatert, da am Vorabend just Eibiswalder Dämmerschoppen angeboten wurde, das sich klarerweise sowohl mein Buddy und auch ich nicht entgehen lassen konnten) auf Wolfgangs Terasse um die eine oder andere theoretische Frage zu beantworten. Wobei dies eigentlich gänzlich untertrieben ist, Wolfgang Heußerer hat für seine Anfängerkurse extra ein zehnseitiges Skriptum mit so ziemlich jeder Antwort auf etwaige Fragen eines Starters in die wunderbare Welt des Fliegenfischens verfasst. Von den verschiedenen Bestandteilen der Ausrüstung, über Knotenkunde bis hin zu einer kleinen Insektenkunde ist in den gut gefüllten Seiten wirklich allerhand verpackt. Besonders hervorzuheben ist für mich auch der Punkt „ethische Richtlinien“, der unter anderem auch die richtige Handhabung eines Fisches erklärt, sollte dieser zurück gesetzt werden. Dafür gibts meinerseits gleich mal ein dickes Extra-Daumen hoch.

Mittels Plüschfisch wurde die Zielgenauigkeit trainiert.

Mittels Plüschfisch wurde die Zielgenauigkeit trainiert.

Der Nachmittag des ersten Kurstages wurde bereits mit Praxis verbracht, allerdings nicht am Wasser, sondern auf der Wiese. Während die beiden Neu-Infizierten sich am Roll- und Überkopfwurf versuchten (und auch meine Würfe dieser Gattungen von Wolfgang abermals geschliffen wurden), bekam ich vom zertifizierter Fly Casting Instructor der Federation of Flyfishers in weiterer Folge Tipps und Tricks für schwierige Situationen am Wasser. So bekam ich dabei interessante und sehr lehrreiche Einblicke in die Welt des Einhand-Speycastings, welche mittlerweile prompt in meinen Angelalltag am Wasser Einzug gehalten haben.

Je weiter der Nachmittag fortschritt, dest enger wurden die Schlaufen - zumindest immer wieder mal.

Je weiter der Nachmittag fortschritt, dest enger wurden die Schlaufen – zumindest immer wieder mal.

Auch Wolfgang selbst nahm immer wieder die Rute in die Hand, zum Einen um die zu übenden Würfe vorzustellen, zum Anderen aber auch um immer wieder mal zu zeigen, was denn eigentlich alles so mit dem Fliegengerät möglich ist. Von Würfen bis ins Backing bis hin zu verschiedensten Trickwürfen bleib dabei uns Teilnehmern immer wieder mal der Mund offen stehen, so ehrlich darf man ruhig auch mal sein. Ebenfalls besonders hilfreich: Für seine Kurse hat der Steirer verschiedenste Ruten und Rollen im Gepäck, sodass sich jeder Teilnehmer auch ein bisschen durch die verschiedenen Klassen, Längen und Rutenaktionen werfen kann.

Der zweite Tag hingegen stand ganz im Zeichen der Flossenträger ohne Stofffüllung. Für seine Kurse hat der begeisterte Trockenfliegenangler nämlich ein echtes Schmankerlwasser in petto, in welchem die gut gefettete Rehhaarfliege mehr oder weniger den ganzen Tag Erfolg bringt. Es geht dabei um ein kleines, mitunter steil und schnell fließendes Gebirgsbächlein. Meist nur ein bis zwei Meter breit und dicht bewachsen beherbergt dieses Kleinod wunderschöne und sehr kampfstarke Bachforellen, aber eben nur jenen die ihre Würfe auch wohlüberlegt ausführen und platzieren.

Was für ein traumhaftes Wasser.

Was für ein traumhaftes Wasser.

Obwohl ich anfänglich dachte, dass das Wasser für Anfänger ganz einfach zu heftig ist, wurde ich schnell eines besseren belehrt und half wenige Minuten nach Angelstart meinem unglaublich grinsendem Freund seine erste Forelle überhaupt (!!!) zu landen. Und das eben auf Trockenfliege an einem naturbelassenenen Bach mitten in den Bergen – wunderbar.

Auch eine kapitale Steinfliege kreuzte unseren Weg.

Auch eine kapitale Steinfliege kreuzte unseren Weg.

Wenn es ganz extrem mit dem Bewuchs wurde, wurde eben der Bow Cast praktiziert, und siehe da, auch dieser brachte Erfolg. Jeder Gumpen und jede noch so kleine Wassertasche beherbergten Fisch und viele davon ließen sich auch überreden die angebotenen Trockenfliegen zu inhalieren. Als dann noch eine knapp daumengroße Steinfliege meinen Weg kreuzte war es vollends geschehen: einfach ein traumhaftes Bacherl, von denen es mittlerweile leider hierzulande nicht mehr allzuviele gibt.

Indianderfischerei mit allem Drum und Dran - Bogenwurf inklusive.

Indianderfischerei mit allem Drum und Dran – Bogenwurf inklusive.

Was folgte waren Kletterpartien über kleine Wasserfälle, Wanderungen durch dichte Brennesselfelder und immer wieder der begeisterte „Fish on“-Ausruf, an welchem sich vor allem die Neulinge der Fliegenfischerei berechtigterweise so gar nicht satt hören können. Als Wolfgang am späteren Nachmittag den Kurs für offiziell beendet erklärte, lag zwar noch eine dreieinhalbstündige Heimreise vor mir, doch nach so einem Tag bringt einen so schnell nichts mehr aus der Ruhe. Dass mein nach Wien reisender Buddy und ich während der Rückfahrt telefonisch noch die eine oder andere Angelanekdote des Tages austauschten erklärt sich ja eigentlich von selbst.

Alleine dieser kleine Pool brachte sechs Fische in ungefähr zehn Würfen.

Alleine dieser kleine Pool brachte sechs Fische in ungefähr zehn Würfen.

Und ja, shit, immer noch hab ich keinen, den ich für meine Wurffehler verantwortlich machen kann…
Tight lines, gue

Wer nun an einem Wurfkurs bei Wolfgang Heußerer interessiert ist, dem sei dieser Link empfohlen, hier gibt es sowohl Infos zu den verschiedenen Kursangeboten als auch Kontaktmöglichkeiten.

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